November 2014 | Claudia Gronewald

Sehnsuchtsbilder in erdigen Tönen

Wie Wanderer in der Wüste, wie Reisende ohne Ziel oder Menschen auf der Flucht wirken seine Figuren, von ungeheurer Weite und Schwere sind seine Himmel, unergründlich seine Horizonte – das Städtische Museum Kalkar zeigt ab Sonntag, 12 Uhr, die wunderbare Ausstellung „Erde/Wasser/Luft“ des Malers Jürgen Marose.

 

Asphalt und Acryl

 

Seit Jahrzehnten in Essen zu Hause hat den gebürtigen Emmericher die Landschaft des Niederrheins nie wirklich losgelassen. Wenngleich Wüstenlandschaften das Hauptmotiv seiner mit Asphalt und Acryl auf Leinwand gebannten Bilder sind, sind es doch die „Weiten des niederrheinischen Himmels“, die der Mehrzahl seiner Gemälde zugrunde liegen. Wie Sehnsuchtsbilder in erdigen Tönen ziehen seine vom Wind verwehten, bisweilen zerzausten Sand- oder Wasserformationen den Betrachter in ihren Bann. Mittendrin, die Gesichter stets von diesem abgewandt, Menschen auf dem Weg ins Irgendwo. Sie scheinen sich in Maroses Landschaften geradezu zu verirren, zu verlieren. Er sehe seine Bilder wie eine Reise des Menschen durch sein Leben, erklärt der 62-Jährige. „Vielleicht auch wie eine Reise des Menschen zu sich selbst.“

 

Seine vielleicht in der Tradition der Romantik stehenden, nur schemenhaft dargestellten Figuren sind dabei einsam, zumindest aber allein, allenfalls in kleinen Gruppen unterwegs. Ihr Ziel: Fast abstrakt wirkende Gebäude, die ruinenhaft oder – durch die Verwendung von Asphalt – wie verbrannt aussehen. Ob Maroses Menschen die Häuser je erreichen bleibt fraglich: Seine durchweg in den vergangenen beiden Jahren entstandenen Bilder strahlen eine große Stille aus und wirken wie in der Bewegung erstarrt.

 

Für Marose sind seine neuen Gemälde vor allem „Erinnerungsbilder“ an einen längeren Aufenthalt in Marokko. „Dort wie auch hier am Niederrhein verändert sich die Landschaft ständig“, findet der Künstler. Und hält den Einfluss von Wind, Regen und Sand frei nach dem Titel seiner Kalkarer Ausstellung in seinen Bildern fest. Eine Werkschau, die fast melancholisch anmutend wie gemacht scheint für diese Jahreszeit, der es oft genug an Licht fehlt.

 

Zu sehen sind die rund 25 Arbeiten noch bis zum 4. Januar. Zur morgigen Eröffnung spricht der Vorsitzende des Vereins der Freunde Kalkars, Karl-Ludwig van Dornick.


Claudia Gronewald

Oktober 2012 | Oliver Krebs

Zeitlos intensive Landschaftsräume

Galerie Depelmann zeigt Bilder von Jürgen Marose

 

Eine ebenso meditative wie atmosphärische Bilderwelt stellt die Langenhagener Galerie Depelmann an der Walsroder Straße 305 bis zum 28. November im Rahmen einer Einzelausstellung von Jürgen Marose vor. Der Essener Maler gehört seit 2005 zum Kreis der durch den renommierten Galeristen Hargen Depelmann protegierten Künstler. Begleitend zu der Werkschau ist im Verlag der Galerie auch ein Kunstbildband mit den Werken Maroses erschienen. Die in einer Mischtechnik auf Leinwand geschaffenen Malereien zeigen ausnahmslos Landschaften an der Grenze zur Abstraktion. Lediglich wenige Akzente setzen konkrete Bezüge, die dem Betrachter helfen, sich in die traumhaften Bildräume einzufühlen. Meist sind es schwarze Silhouetten menschlicher Figuren, die sich auf den Weg begeben, die stillen und fast mystischen Landschaften zu erkunden. Aus Farbschichten in gedeckten Tönen lässt Marose tiefe Räume entstehen, die eine leise Melancholie durchwehen. Seine Bilder scheinen inspiriert von den atmosphärischen Farbspielen in William Turners Landschaften oder Werken wie Caspar David Friedrichs berühmten „Mönch am Meer“. Marose zeigt sich somit bei aller Modernität tief in der Tradition der europäischen Landschaftsmalerei verwurzelt. Mit bemerkenswertem Mut emanzipiert er sich hingegen von aller Befangenheit im Zeitgeist und seinen künstlerischen Strömungen. Sein Motivkreis überzeugt durch die Konstanz, mit der er seine innere Bildwelt variantenreich interpretiert. Jürgen Marose will sich im Gegensatz zu vielen zeitgenössischen Künstlern nicht ständig neu erfinden, er scheint sich vielmehr gefunden zu haben und ganz in seiner eigenen Bilderwelt künstlerisch angekommen zu sein. So leben die ausgestellten Werke nicht von der Vielfalt unterschiedlicher Bildaussagen, sondern vor allem durch die subtile Modifikation, mit der Marose seinem Grundmotiv immer wieder neue Facetten abringt. Seine Bilder wirken zeitlos und wie für eine ewig gültige Wahrheit geschaffen. Wer sich in sie vertieft, findet in den flüchtigen Figuren, die das Ewige zu durchwandern scheinen, ebenso gelungene wie berührende Metaphern für das Leben.

Oliver Krebs, Oktober 2012

Juli 2012 | Volker Himmelberg

Kunst als Entdeckungsreise

Wohin der Weg führt, lässt sich meistens nur erahnen. Die schemenhaft angedeuteten Figuren, die häufig im Zentrum der faszinierenden Landschaftsarbeiten von Jürgen Marose auftauchen, lassen sich treiben und leiten zugleich. Das Ziel ist bedeutungslos, entscheidend ist allein die Existenz.

Parallelen zur Biographie des Künstlers lassen sich schnell entdecken. Denn Jürgen Marose, der seine Kindheit und Jugend in Gelsenkirchen verbrachte, ist stets konsequent seinen Weg gegangen. 1985 begann er sein Studium der freien Grafik und Malerei in Essen. Schon in den Anfangsjahren seiner künstlerischen Laufbahn flocht Marose skripturale und figürliche Elemente in seine Arbeiten ein – obwohl derlei zu jener Hochzeit der abstrakten Expression verpönt war. „Moden haben mich nie interessiert“, sagt Marose.

Diese Beharrlichkeit, sich keinen Richtungswechsel von außen aufzwingen zu lassen, sollte sich auszahlen. Der Maler ist seit vielen Jahren mit seinem Werk im In- und Ausland vertreten, Sammler verfolgen interessiert die Entwicklung seines Werks (...). In großformatigen Gemälden, zu denen sich Marose auch von der rauen See in Skandinavien hat inspirieren lassen, erweist sich der Künstler erneut als Maler des Lichts. Er steht damit in der Tradition alter niederländischer Meister, ohne sie auch nur im Ansatz zu kopieren. Augenfällig ist dabei das exzellente Spiel mit der Klaviatur der Farben, erdige Töne ergänzen sich perfekt mit dem weiten Himmel jenseits des Horizonts. Jedes Bildelement kommt eigenständig zur Geltung, ehe der Betrachter das harmonische Ganze aufnehmen kann. (...)

Das  eigentliche Geheimnis der ungeheuren Wirkung und Strahlkraft seiner Arbeiten liegt im Verzicht auf jegliche Nabelschau. Die Figuren im Werk erscheinen ganz bewusst nur angedeutet und tragen keinerlei individuelle Züge. Sie befinden sich auf der Entdeckungsreise, die das leben eigentlich ausmacht. Im Zentrum stehen die existentiellen Fragen nach dem Werden und Vergehen. Wer sich auf die Arbeiten einlässt, wird mit intensiven Erfahrungen belohnt, die weit über das Bild hinausreichen.

Marose hat sich nie darauf beschränkt, ein Maler zu sein. Er ist gleichzeitig en Erzähler, der sich auf literarische Vorbilder berufen kann. Und ein Musiker, der Farben statt Töne zur Komposition verwendet. Mit seiner Kunst befindet er sich seit Langem auf der Reise. Der Betrachter darf ihn begleiten und gespannt sein, wo sie noch hinführt.

Volker Himmelberg, Rheinische Post(RP-Online), Juli 2012

2007 | Gundula Caspary

Reisen ins Ungewisse

Jürgen Marose baut seine Bilder in traditioneller Schichtung der Farben auf, von lasierenden bis pastosen Schichten, von kaum mehr ahnbaren, leuchtenden „Grund-Farben“ der Tiefe bis zu verhaltenen, erdigen bis weißen „Deck-Farben“. An der Oberfläche addiert er die Schichten, deren Tiefgründigkeit je nach Lichteinfall variiert. Unter der scheinbar schnellen Malweise, dem expressiven und zugleich beherrschten Duktus scheint die Gegenständlichkeit der Bilder, in die reine Abstraktion der Farbe zu gleiten. Dennoch handelt es sich bei Maroses Gemälden um durchaus figurative und narrative Bilder.

In dem Dunst der farbigen Schichtung entwickeln sich auf ein Minimum reduzierte Landschaften, in denen sich schemenhafte Figuren bewegen. Das heißt, dass sie sich bewegen, muss eine Vermutung bleiben, denn die Bilder sind von einer extremen Stille, fast Bewegungslosigkeit, als sei der Augenblick in einer Momentaufnahme festgefroren, als blicke man in das zeit- und raumlose Auge eines stürmischen Orkans. Die einsamen Figuren sind wie vom Nebel umhüllt, vom Winde verweht, wie Wanderer oder Nomaden, Getriebene oder Suchende auf einem Weg, der nicht auszumachen ist, der nicht vorgezeichnet ist, nicht hier in der Fiktion der Bilder und nicht im wirklichen Leben.

Auch wenn die Figuren zu zweit oder in einer Gruppe erscheinen, so treten sie nie gemeinsam auf und erinnern darin an berühmte Vorbilder der Romantik; sie stehen oder gehen vereinzelt nebeneinander, einsam, ohne erkennbare Gemeinsamkeit, außer dem Schicksal, der Weite und der Kargheit der Landschaft ausgesetzt zu sein, in der die Sehnsucht und der Weg das Ziel sind. Auch dass die Landschaften karg sind, lässt sich nur mehr mutmaßen, in der diffusen Malweise lässt sich in ihnen wenig individuelle Beschaffenheit ausmachen wie an den Figuren. Die Temperaturen der Farben suggerieren Regen, Nässe, Wind, ohne dass sie unterkühlt wirken. Zugleich gibt es Gemälde, mit denen man sich in die flirrende Hitze eines Wüstenwindes versetzt fühlt. Irgendwo jedenfalls muss es in diesen unbestimmten Weiten eine Sonne geben, die sich durch die Dichte der Farbflächen zu brennen versucht, denn die Schemen der Figuren werfen deutliche Schatten, ob voraus oder zurück, bleibt wiederum offen. Nur in wenigen Bildern verweisen einzelne Details auf menschliche Substanz – mal ist es die Silhouette einer brückenartigen Konstruktion, mal die eines tunnelartigen Gebäudes, ansonsten bleibt das stille Geschehen von der undefinierbaren, archaischen Landschaft dominiert. Hin und wieder geben laublose Bäume oder weit entfernte Gebirgszüge der Endlosigkeit ein Maß und den Figuren einen Rahmen in dem namenlosen Irgendwo, das auf das vage Sein des Lebens, auf Lebensweg und Schicksal, Suche und Wagnis, Leere und Hoffnung der menschlichen Existenz zurückführt.

Gundula Caspary, Rede zur Ausstellungseröffnung in der Galerie Radicke, 2007, Bonn